Schon früh am Morgen startete der Bus in Großheubach. Nachdem er in Aschaffenburg weitere Gläubige aufgenommen hatte, war der Reisebus voll besetzt. Erstes Ziel der Pilgerfahrt war Banneux in Belgien. Nach einer Pause bei Kaffee und Kuchen traf man am späten Vormittag in dem bekannten Wallfahrtsort ein. Die kleine Ortschaft in der Gemeinde Sprimont liegt auf der Hochebene der Ardennen südöstlich von Lüttich. Vom 15. Januar bis 2. März 1933 war dort der Zwölfjährigen Mariette Beco die Gottesmutter Maria achtmal erschienen. Dabei hatte sie das Kind zu einer Quelle geführt. „Glaubt an mich – ich glaube an Euch! Betet viel“, waren ihre Worte. In der Botschaftskapelle, in der die verschiedenen Erscheinungen dargestellt sind, zelebrierten Pfarrer Stadtmüller und Pfarrer Stolzenberger gemeinsam die heilige Messe. Nach dem Besuch der Marien-Quelle ging die Fahrt weiter nach Antwerpen.
Antwerpen war im 15. und 16. Jahrhundert eine der größten Städte der Welt, zeitweise die wichtigste Handelsmetropole Europas und als bedeutendes kulturelles Zentrum Wirkungsstätte von Künstlern wie Peter Paul Rubens. Der Turm der Liebfrauenkathedrale gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Es war also kein Wunder, dass sich die Pilgergruppe sofort auf Entdeckungsreise durch die Stadt begab. Alle waren vom Flair der Stadt angetan. Höhepunkte bildeten der „Groote Markt“ und die Kathedrale. Nach einem guten italienischen Abendessen ging es ins Hotel. Am nächsten Morgen stand die Besichtigung der St. Carolus Boromäuskirche an. Die Antwerpener Jesuiten bauten sie zwischen 1615 und 1621 während der Gegenreformation. Zeitgenossen zufolge war sie „ein Himmel auf Erden” und das ist sie mit ihrer dynamischen Fassade, dem raffiniert gestalteten Interieur und der überwältigenden Marienkapelle auch heute noch. Rubens lieferte als Co-Designer und Maler einen bedeutenden Beitrag zur Gestaltung der Fassade und des Innenraums. Nach einem Gebet zur Muttergottes ging es weiter zur Kathedrale der Stadt, einer der größten Kirchen der Welt. Dort feierten die Gläubigen die heilige Messe, bevor sie der Bus nach Utrecht in den Niederlanden brachte.
Man könnte Utrecht auch als „Klein-Amsterdam“ bezeichnen. Eine Nummer beschaulicher übt die Stadt fast einen größeren Reiz aus als die bekannte holländische Metropole. Aber auch dort prägen Horden von Fahrradfahrern das Erscheinungsbild. Und fast alle ohne Helm, was von der deutschen Pilgergruppe mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis genommen wurde. Das Abendessen wurde in einem sehr stimmungsvoll gestalteten Lokal, das direkt an einer Gracht gelegen ist, eingenommen. Beim abendlichen Spaziergang entfaltete sich der heimelige Charme der Stadt, sodass sich mancher zu einem späten, wenn auch teuren Absacker verleiten ließ. Nach dem Frühstück stand die Besichtigung der Kathedrale an. Bemerkenswert ist der kolossale 112 Meter hohe Westturm des heute protestantischen Kirchenbaus. Er zählt zu den größten und eigentümlichsten Türmen des 14. Jahrhunderts in Europa. Den 1. August teilt sich die Kathedrale mit der Großheubacher Pfarrkirche als ereignisreiches Datum: Im Jahr 1958 stürzte an diesem Tag nach einem Unwetter der Kirchturm der Großheubacher Pfarrkirche ein, 311 Jahre zuvor das Mittelschiff des Utrechter Doms, das nicht wiedererrichtet wurde. Es entstand an dieser Stelle der Domplatz. Durch den nun isolierten Turm führt heute eine einspurige Straße. Nach der Besichtigung und einem Rundgang durch die Altstadt ging es wieder Richtung Bus zur letzten Station: Kevelaer am Niederrhein.
Die Stadt zählt zu den wichtigsten Marienwallfahrtsorten in Deutschland. Um die Weihnachtszeit des Jahres 1641 vernahm der Handelsmann Hendrick Busman betend eine Stimme, die ihm sagte: „An dieser Stelle sollst du mir ein Kapellchen bauen!“ Im Verlauf der nächsten Tage hörte Busman die besagte Stimme noch zweimal, sodass er den Auftrag ausführte. Einen Monat vor Pfingsten im Jahr 1642 sah seine Frau in einer Erscheinung ein Heiligenhäuschen in einem hellen, glänzenden Licht mit einem Bildchen der Gottesmutter Maria. Das Bildchen war ihr einige Zeit zuvor von zwei Soldaten zum Kauf angeboten worden. Hendrick Busman sah sich in seinem Erlebnis bestätigt. Man machte die Soldaten ausfindig und kaufte das Bildchen. Am Sonntag, den 1. Juni 1642, wurde es in das Kapellchen eingesetzt. Seither werden zahlreiche Wunderheilungen aus Kevelaer berichtet. Rund eine Million Pilger besuchen jährlich den Wallfahrtsort. Nach einer kurzen Andacht am Gnadenbild und der Mittagspause feierten die Gläubigen die heilige Messe in der Kerzenkapelle. Pfarrer Stadtmüller fasste die Eindrücke der Pilgerreise zu Ehren der Gottesmutter in einer Predigt zusammen. Auf der ganzen Welt wirke die Gottesmutter und sei die verlässliche Vermittlerin bei Gott, für den der bete und vertraue. Mit dieser Botschaft im Gepäck machte sich die Pilgergruppe auf die Rückreise. Drei eindrucksvolle Tage waren wie im Flug vergangen.
Text und Bilder: FWA Würzburg